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Modulorbeat | Architekten Münster

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Ausstellungsprojekt am Kunstverein Wolfsburg

Für das künstlerische Projekt „Industriestadtfuturismus – 100 Jahre Wolfsburg / Nowa Huta“ unternehmen 12 Künstlergruppen und Einzelkünstler eine Zeitreise in die Zukunft der ehemaligen industriellen Musterstädte Wolfsburg (Deutschland) und Nowa Huta (Polen). Aus den Jahren 2038 und 2049 werfen sie einen fiktiven Blick auf das 100-jährige Bestehen der beiden Städte, auf den Wandel von Arbeit, Mobilität, Ökologie und Gesellschaft. Das Ergebnis dieser Arbeit ist eine Präsentation der Geschichte, Gegenwart und der vorstellbaren Zukunft beider Städte, die von ähnlichen Voraussetzungen ausgegangen sind und dann denkbar unterschiedliche Wege eingeschlagen haben.

Kuratoren: Martin Kaltwasser (Berlin) und Jakub Szreder (Krakau)

Weitere Teilnehmer: Daniel Banaczek (Krakau), Neil Cummings und Marysia Lewandowska (London), Rafal Jakubowicz (Posen), Folke Köbberling (Berlin), Pia Lanzinger (Berlin), LPG Cottbus (Cottbus), Raumlabor (Berlin), Silke Riechert (Dresden), Robert Rumas (Danzig), Janek Simon (Warschau)

Die Entwicklung der Stadt Wolfsburg ist von zwei Wettbewerben geprägt: der VW Konzern versucht neue Kunden zu gewinnen und die Treue der alten zu erhalten; gleichzeitig wirbt die Stadt um junge, gut ausgebildete und erfolgreiche Bewohner und bemüht sich solche an sich zu binden. Mit der Verschiebung des Marketingziels vom einmaligen Ankauf des Autos auf eine lebenslange Treue und mit der Veränderung des Fokus vom Gebrauchswert eines Fahrzeuges zu assoziiertem Lifestyle, Identität und Zugehörigkeitsgefühl, verliert der Unterschied zwischen der Vermarktung eines Autos und einer Stadt seine Schärfe; eine Entwicklung, die sich bereits im Namen ‚Autostadt’ ankündigt. Ferner werden die vom Konzern eingesetzten städtebauliche Strategien von der Stadt übernommen: der Autostadt wird das neue Technikmuseum (Phaeno) entgegensetzt; der Unterteilung der Autostadt nach verschiedenen Themen folgt das Konzept der Thematisierung der Stadtteile.

Die Übernahme dieser Strategien, die auf eine bestimmte Zielgruppe ausgerichtet sind, ist gleichzeitig eine Diagnose und ein Projekt. Die Überalterung der Bewohner, ein charakteristisches Phänomen der modernistischen Industriestädte, wird als ein grundsätzlicher Faktor ihrer zukünftigen Entwicklung erkannt: in Wolfsburg genauso wie in Nowa Huta. Als Reaktion wird das Bild einer jungen, dynamischen Stadt projiziert - der technokratischen Utopie wird eine marktanalytische Utopie entgegengesetzt.

Diese Prozesse, Tendenzen und Ausblicke kommen als Folgen, Symptome und Vorahnungen im Diakonie-Hochhaus zusammen. In einem Hochhaus – Ausdruck des modernistischen Denkens über die Stadt im Verhältnis zur Natur – bietet die Diakonie ein betreutes Wohnen an. Das Programm des Hauses wurde als eine gesellschaftliche Utopie der Komplementarität zwischen alten Leuten und ledigen Müttern mit kleinen Kindern entworfen; diese Utopie des Zusammenlebens wurde durch die Realität der Segregation ersetzt. Im Café Schau-ins-Land, das sich im obersten Stock des Hauses, mit einem weiten Ausblick auf Wolfsburg befindet, werden persönliche Lebenswege, Erinnerungen und Erfahrungen ausgetauscht. In der Nacht sieht man die dunkle Stadt und das strahlende VW-Gelände als Stadtkrone und als Schaufenster zur ICE Strecke inszeniert.

SUPERVISION ist ein Versuch diese Zusammenhänge zu erfassen. In seiner Doppeldeutigkeit vereinigt der Begriff – wie das Hochhaus selbst - den weiten, überwachenden Blick des Planers mit der psychologischen Methode eines persönlichen Gesprächs. Die persönlichen Sichtweisen, Einblicke und Schnappschüsse der Bewohner und eingeladener Gäste werden der Vogelperspektive entgegengesetzt; die Klarheit der Planstadt wird im Kontext der komplexen Organisation des Hochhauses kartiert; die projizierten Diskurse werden mit kleinen Narrationen konfrontiert. Das Hochhaus wird zum Ort und Medium der Gespräche und zum Modell und Diagramm Wolfsburger Vergangenheit und Zukunft.

Planungszeitraum: 

2005

Auftraggeber / Bauherr: 

Kunstverein Wolfsburg

Team: 

  • Marc Günnewig
  • Jan Kampshoff
  • Lukasz Stanek